13.11.2025
12:05 - 12:50 Uhr

Vortrag
People & Teams

Dr. Oliver Kortendick
Bundesverwaltungsamt

Simone Mester
Bundesverwaltungsamt

Teambildung als wichtige Variable im qualitätssichernden Vorgehen bei der Softwareentwicklung

Es gibt viele Gründe, warum sich in die Agilen Vorgehensmodelle in den letzten 20 Jahren durchgesetzt haben. So kommen immer häufiger Projektsituationen vor, in denen zu Beginn das Vorliegen unvollständiger oder unklarer Anforderungen sowie im weiteren Projektverlauf sich häufig ereignende Änderungen beobachtet werden können. Indem hochkomplexe Problemstellungen in kleine, überschaubare und leichter zu lösende Teilprobleme zerlegt werden, und durch jedes Entwicklungsinkrement Software mit geschäftlichem Mehrwert produziert wird, kann diesen Widrigkeiten optimal begegnet werden. Die Rückkopplung mit dem Kunden (Endanwender, Product Owner) stellt sicher, dass die Anforderungen und ihre Umsetzung synchronisiert sind, d.h. dass sie auf einem gleichen Ideenmodell beruhen.

Agile Modelle sind alles andere als technokratisch, sie betonen sowohl im Agilen Manifest als auch in den Agilen Prinzipien vor allem auf menschliche Bedürfnisse ausgerichtete Aspekte der Interaktion und Kommunikation, des sozialen Lernens, des Wissensaustauschs, der Stärkung des Individuums, von Gleichberechtigung, Diversität und dem verantwortlichen Leben in der Gruppe (Gemeinschaft). Soziologisch betrachtet, könnte man sie als Antwort auf zunehmende Modernisierung der Gesellschaft betrachten, mit ihrer Auflösung traditioneller Bindungen, Interessenoptimierung und der Gefahr der Vereinsamung des Einzelnen in der Masse. Neben den passenden technischen Antworten auf eine sich scheinbar immer schneller drehende und komplexer werdende Welt und ihren schier unüberschaubaren Zusammenhängen und Abhängigkeiten bieten die Agilen Vorgehen einen Rahmen von stabilisierenden Beziehungsmustern und Handlungsschemen. Selbststeuerung und -organisation, also genau die beiden Momente, die für das Individuum wichtig sind, damit nicht der Eindruck entsteht es werde alles über seinen Kopf hinweg entschieden, stehen nicht ohne Grund im Vordergrund solcher Blaupausen wie Scrum (oder auch Kanban).

Trotzdem beobachten wir in der Praxis häufig, dass nach anfänglicher Euphorie die Teilnehmer am Agilen Modell viele Teile des Vorgehens „den Sachzwängen“ (fehlende Zeit, Personal und Geld) allzu bereitwillig opfern. Das betrifft schnell solche zentralen Elemente der Scrum-Inszenierung, wie die Dailies, die Reviews und die Retrospektiven. Warum kann so häufig in der Praxis beobachtet werden, dass diese kommunikativen Elemente nicht weiterverfolgt werden? 

Unsere These ist, dass „agile“ Kommunikation in einem arbeitsteiligen, streng hierarchisch organisierten Arbeitsumfeld erst wieder, und zwar über einen längeren Zeitraum hinweg, erlernt werden muss. Feingranulare Arbeitsteilung entbindet von der Notwendigkeit permanenter Abstimmung. Das macht einen großen Teil ihrer Effizienz aus. Aber um im agilen Umfeld zu funktionieren müssen neue Formen erlernt, bzw. althergebrachte wieder reaktiviert werden. Diese Formen zeichnen sich durch die Internalisierung des Agilen Mindsets aus: konstruktive und nicht abqualifizierende Fehlerkultur, gegenseitige Wertschätzung der Akteure, Commitment auf höchste Qualität und Problemlösungswille. 

Unserer Erfahrung nach lassen sich alle wirklich agilen Testaktivitäten daran messen, ob sie die Grundmelodie der agilen Symphonie bedienen können: Herausarbeiten gemeinsamer Sichten auf den Prüfgegenstand, Organisation von Testsessions mit gemeinsamen Explorativen Tests in Pair-Testing Sessions, Reviews und unterstützendes Peer-Gruppen-basiertes Soziales Lernen. 

Wir üben diese Formen der Kommunikation und Interaktion im Rahmen unserer Beratungstätigkeit ein und messen den Teamzusammenhalt in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen. Wir stellen dabei fest, dass Agilität nicht befohlen oder selbstverordnet sein kann, sondern ein längerer Prozess ist, der von den Beteiligten immer wieder geübt werden muss. Je mehr und je länger diese Übung andauert, desto wirksamer und nachhaltiger gelingt der agile Wandel, respektive die Agile Transformation.

Unterstützt wird unser Vorgehen von den Mikrostrukturen aus dem Werkzeugkasten der Liberating Structures. Wir stellen einige der von uns erfolgreich erprobten Mikrostrukturen vor und beschreiben möglichen Einfluss auf die jeweilige Projektsituation.

Dr. Oliver Kortendick, Bundesverwaltungsamt

Solide, vieljährige Programmier- und Projekterfahrung, Softwareentwicklungsmodelle (Wasserfall, V-Modell, RUP, Agile), bei Banken, Versicherungen, Medien, Öffentlicher Dienst. QS-Evangelist. ISTQB Certified Tester Full Advanced Level. Besondere Interessen sind quantitative und qualitative Erhebungsverfahren, Gruppendiskussionen und statistische Auswertungen. Durchführung von Schulungen und Trainings für unterschiedliche Gruppen von Anwendern.

Simone Mester, Bundesverwaltungsamt

Langjährige Erfahrung als Softwareentwicklerin im Banken- und Versicherungsumfeld. Unterschiedliche Vorgehensmodelle, in den letzten Jahren hauptsächlich Scrum (zertifizierte Scrum Masterin). ISTQB Zertifizierungen. Besonderes Interesse: Leichtgewichtige Prozesse um Teambildung und Gruppenkohärenz im agilen Vorgehen zu unterstützen. Co-Gründerin der Community of Practice "Forum für Test und Qualitätssicherung" im BVA, Co-Moderatorin der CoP "Test und QS" des Next-Netzwerkes des Bundes.